Der Rachegeist des Schwarzwaldes

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Der Rachegeist

Es war einmal in den tiefen Wäldern des Schwarzwaldes, wo die Tannen so dicht standen, dass selbst das Mondlicht kaum den Boden erreichte. Dort lebte ein alter Mann mit seiner Frau in einer bescheidenen Hütte am Rande eines kristallklaren Baches.

Der Alte war von sanfter Art, sprach wenig und bewegte sich mit einer Stille, die den Dorfbewohnern bisweilen unheimlich erschien. Niemand wusste, woher er gekommen war. Manche flüsterten, er sei aus einem fernen Land jenseits der Morgenröte gewandert, wo die Berge den Himmel berührten und fremdartige Sitten herrschten.

Das Verbrechen

In jenem Winter kam ein listiges Waldtier in die Gegend – eine Kreatur von ungewöhnlicher Klugheit und Bosheit. Das Tier sprach zu der alten Frau mit honigfließenden Worten und bat um Einlass, denn draußen heule der Schneesturm.

Die gütige Alte, deren Herz so rein wie der erste Schnee war, öffnete die Tür. Doch kaum war das Tier eingetreten, da zeigte es seine wahre Natur. Mit grausamer List überwältigte es die wehrlose Frau und beging ein Verbrechen so abscheulich, dass selbst die Raben vom Himmel flohen.

Das Waldtier zerteilte die Tote und kochte aus ihrem Fleisch einen Eintopf. Als der Alte am Abend heimkehrte, empfing ihn das Tier mit falscher Freundlichkeit: “Guter Herr, Eure Frau musste fort zu ihrer Schwester. Sie bat mich, Euch diese Mahlzeit zu bereiten.”

Der Alte aß schweigend. Erst als er den letzten Löffel zum Munde führte, sah er am Boden einen goldenen Ring – den Ehering seiner Frau.

Die Schüssel fiel zu Boden. Kein Laut kam über seine Lippen. Das Waldtier aber lachte höhnisch und floh in die Nacht hinaus.

Die Verwandlung beginnt

Drei Tage und drei Nächte saß der Alte regungslos in seiner Hütte. Am vierten Morgen erhob er sich. Er wusch sich mit dem kalten Wasser des Baches, kleidete sich in ein weißes Gewand – wie man es in seinem fernen Heimatland den Toten anzog – und gürtete ein langes, leicht gekrümmtes Schwert um seine Hüften. Ein Schwert, dessen Klinge im Mondlicht wie flüssiges Silber glänzte.

Die Dorfbewohner, die ihn nun sahen, erschraken. Seine Augen waren leer geworden, und wenn er ging, hörte man keinen Schritt. Selbst das Gras, über das er schritt, beugte sich nicht.

“Der alte Fremde hat den Verstand verloren,” flüsterten sie. Doch die ältesten unter ihnen, die noch Geschichten von seltsamen Kriegern aus dem Osten kannten, schüttelten besorgt die Köpfe und sagten: “Nein. Er hat etwas viel Gefährlicheres gefunden – seinen wahren Namen.”

Die Jagd

Das Waldtier hatte sich tief in den Schwarzwald zurückgezogen, wo die Bäume so alt waren, dass sie Zeugen der Schöpfung sein mochten. Doch wohin es auch floh, der Alte folgte.

Bei der ersten Begegnung versuchte das Tier, den Alten zu verspotten. Es stand auf einer Klippe und rief: “Alter Narr! Du kannst mich nicht fangen! Sieh, wie weit ich von dir entfernt bin!”

Doch als es sich umdrehte, stand der Alte bereits hinter ihm. Lautlos. Wie durch die Schatten selbst gewandert.

Schritt des Spiegelwassers, flüsterten die Bäume, denn sie erinnerten sich an alte Magie.

Das Tier sprang und floh abermals. Aber wo immer es durch den Wald rannte, sah es plötzlich zwei, dann drei Gestalten des Alten zwischen den Bäumen – alle identisch, alle schweigend, alle näher kommend.

Zwillinge des Nebels, raunte der Wind.

Die Metamorphose

Mit jedem Tag, den die Jagd dauerte, veränderte sich der Alte. Seine Haut wurde blasser, seine Finger länger. Sein Schatten wuchs zur Unförmigkeit, selbst wenn die Sonne im Zenit stand.

Ein Jäger, der ihm im Wald begegnete, schwor später vor dem Pfarrer: “Ich sah Hörner aus seiner Stirn wachsen – nicht wie beim Teufel, sondern wie aus poliertem Obsidian geschnitzt. Und seine Augen… sie brannten mit einem Feuer, das nicht von dieser Welt war.”

Das Waldtier begann, die Größe seiner Sünde zu begreifen. Es hatte nicht nur einen alten Mann betrogen – es hatte etwas Uraltes, Gefährliches geweckt. Etwas, das zwischen den Welten wandelte, weder Mensch noch Geist noch Dämon, sondern etwas dazwischen. Einen Oni in Menschengestalt.

Das Ende im Feuer

Die Jagd führte sie schließlich zum Höllenschlund – einem tiefen Riss in der Erde, aus dem seit Menschengedenken Schwefelrauch und Hitze emporstiegen. Die Dorfbewohner mieden diesen Ort, denn man sagte, hier sei der Teufel selbst in die Welt eingedrungen.

Das Waldtier stand am Rand der Kluft, nirgendwohin mehr zu fliehen. Der Alte erschien aus dem Nichts, sein weißes Gewand nun schmutzig und zerrissen, die Hörner an seiner Stirn vollständig sichtbar, die Augen glühend wie Kohlen in einem Schmiedefeuer.

“Gnade!” schrie das Tier. “Ich bereue! Ich—”

Doch der Alte sprach kein Wort. Er hatte seine Menschlichkeit auf dem Weg hierher Stück für Stück in den Schatten zurückgelassen. Was nun vor dem Tier stand, war Rache selbst, gehüllt in Fleisch und Zorn.

Mit einem letzten verzweifelten Sprung versuchte das Waldtier, den Alten niederzureißen. Beide stürzten sie über die Kante, hinab in den glühenden Abgrund.

Das Tier schrie. Es schrie, wie alle Verdammten seit Anbeginn der Zeit geschrien haben – ein Laut so durchdringend, dass die Vögel noch drei Täler weiter verstummten.

Der Alte aber schwieg. Selbst im Fallen, selbst als die Flammen sie beide verschlangen, kam kein Laut über seine Lippen. Seine Augen blieben auf das Tier gerichtet, brennend mit einem Hass, der heißer war als das Höllenfeuer selbst.

Danach

Die Dorfbewohner fanden am Rand des Höllenschlunds das gekrümmte Schwert, seine Klinge unversehrt, obwohl alles andere verbrannt war. Niemand wagte es anzurühren.

Man errichtete einen Stein mit einer Warnung: Hier endete die Jagd des schweigenden Fremden. Möge kein Lebewesen je wieder solchen Zorn erwecken.

Und wenn in manchen Nächten, wenn der Nebel besonders dicht über dem Schwarzwald liegt, die Alten am Feuer sitzen, erzählen sie noch immer die Geschichte. Die Geschichte vom Waldtier und dem Alten, der etwas anderes war. Etwas Fremdes. Etwas, das die Grenze zwischen Mensch und Dämon überschritt.

Sie erzählen von seiner lautlosen Jagd, von den unmöglichen Dingen, die er vollbrachte, von seiner Verwandlung in etwas, das selbst der Teufel gefürchtet hätte.

Und sie enden immer mit denselben Worten:

“Und so verschwanden beide in der brennenden Spalte, verschlungen von Flammen, die ewig brennen. Das Tier schrie. Der Alte nicht. Denn Rache kennt keine Stimme – nur Stille, tiefer als der Tod selbst.”


Ende

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